Kirchenmusik

Die Dietrich-Busch-Orgel in der Marienkirche

Ein Instrument im Trend der Zeit

Am 25. August des Jahres 1737 kam der 37jährige Orgelbauer Johann Dietrich Busch aus Itzehoe mit einem Gesellen nach Wardenburg. Mit sich führte er ein umfangreiches Pfeifenwerk von 13 Registern. Bis zum 29. September, innerhalb von fünf Wochen, konstruierte er zum ersten Mal eine Orgel an diesem Ort. Er hatte den Hauptteil einer schaffensreichen Karriere noch vor sich. Seine Glanzzeit kam später in Hamburg und Schleswig-Holstein mit einigen bekannten Originalbauten.

Dieser zweite Bauauftrag als Leiter einer Itzehoer Firma seit 1728 geschah auch dieses Mal nach den Plänen eines etablierten Vorreiters, nämlich Christian Vater. Dieser ist bekannt z.B.durch die berühmte, neu restaurierte Orgel der alten St.Johannes-Kirche von Wiefelstede. Christian Vater hatte keine Zeit, den Auftrag in Wardenburg selbst durchzuführen.

Die Orgelbautradition mit ihren Gepflogenheiten hatte bis dahin eine Standardisierung erfahren. Denn es war ein Trend von zahlreichen Neubauten im norddeutschen Raum seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert angelaufen, angeführt durch die effiziente und große Unternehmenskultur von Arp Schnittker, der ursprünglich aus Golzwarden in der Wesermarsch stammte.

Der äußere Stil der Orgel St.Marien ist daher identisch mit vielen Instrumenten, die in gleicher Weise in Kirchen der Weserregion und Ostfriesland zu sehen sind. Charakteristisch ist der Prospekt, die so bezeichnete Front, mit seinem Prinzipal-4-Fuß-Register, welcher bis heute kunstvoll die Originalpfeifen in symmetrischer Anordnung vorzeigt. Wichtig war die Aufteilung in mindestens zwei Werke und zwei Manuale: Sozusagen zwei Orgeln in einer, nämlich ein Hauptwerk und ein Nebenwerk - aufgrund seiner Lage vor der Tastatur als Brustwerk bezeichnet. Diese Anlage sollte die kontrastreiche Wiedergabe der Literatur und Spielweise ermöglichen, charakterisiert durch Teilung von Haupt- und Nebenstimmen sowie kontrastierende Effekte im Spiel. Diese Kompositions- und Improvisationspraxis war bestimmend für die norddeutsche Barockkulter vertreten durch z.B. Dietrich Buxtehude, Georg Böhm, Vincent Lübeck u.v.m..

Erst über hundert Jahre später wurde in das vergleichsweise kleine Gehäuse ein Extra-Pedalwerk eingebaut mit den zusätzlich charakteristischen Stimmen Subbass-16-Fuß und das Fagott-16-Fuß, welche in dieser Orgel ungewöhnlich leise klingen.

Somit haben wir heute zwar das historische Erscheinungsbild und seine Klangzutaten, jedoch kaum im Original, sondern während der 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts rekonstruiert.

In der modernen Szene für historische Orgelpraxis konnte sich diese Orgel nicht etablieren. Das hat v.a. mit ihrem Klang und den Änderungen im Kirchenraum zu tun. Zu nennen sind der allzu schwache Winddruck, welcher die jeweiligen Register einzeln kaum stützt, sowie der verlängerte Orgelboden mit dem ausgelegten Teppich, welcher zu viel von dem Klang für den Kirchenraum zurückbehält. So muss man heute üppig registrieren um den Klang bei größerer Besuchszahl durchzusetzen.

Es gibt jedoch fünf schöne und auch ganz verschiedene Klangtypen:

A. Zuerst zu nennen sind die zwei der wunderschönen Sesquialtera, welche einerseits die Flötenregister sehr traurig färbt, jedoch wiederum die Prinzipalpfeifenregister stärkt.
Die Kombinationen sind:
1. Gedackt-8-Fuß, Prinzipal-4-Fuß, Prinzipal-2-Fuß und Sesquialtera = "fröhlich".
2. Gedackt-8-Fuß, Gemshorn-4-Fuß, Quinte-3-Fuß und Sesquialtera = "traurig".
B. Dann die „Mixturen-Welt“ ein schillerndes, prächtig verstärkendes, vor allem vierchöriges Register
Die Kombination ist:
3. Gedackt-8-Fuß, Prinzipal-4-Fuß, Gemshorn-4-Fuß, Quinte-3-Fuß und Mixtur 4fach = "festlich schillernd".
C. Die „Trompeten-Welt“
Die Kombination ist:
4. Gedackt-8-Fuß, Prinzipal-4-Fuß, Gemshorn-4-Fuß, Quinte-3-Fuß, Dulzian-16-Fuß und Trompete = "festlich pompös".
D. Dann im Brustwerk die Scharff-Welt
Ein silbrig hell klingendes mehrchöriges Register
Die Kombination wäre für das Brustwerk:
5. Rohrflöte-8-Fuß (das schwächste Register leider), Gedackt-4-Fuß und Scharff 3fach = ein extrem heller und silbriger Klang. Daher schwierig für den Orgelstimmer.

So haben wir bei dieser Orgel eine zwar beschränkte, doch schöne Auswahl an Klangcharakteren, die bei den jahrhunderte lang reich überlieferten Orgelstücken eingesetzt werden können. Schade: Das Brustwerk ist für komplexere Nebenstimmen heute eigentlich etwas zu leise - mit der Waldflöte-2-Fuß und ohne das Scharff.

Ich werde die dargestellten Möglichkeiten für "Acht Verse über Allein Gott in der Höh’ sei Ehr“, auskomponiert und variiert durch Johann Gottfried Walther im Jahre 1737, probieren und auch für die interessanten Variationen nach einer Idee von „Ein’ feste Burg ist unser Gott“, komponiert im Jahre 2006 von Naji Hakim, einem libanesischen Franzosen, Jahrgang 1955. So freue ich mich auch auf weitere Beiträge am 10.November um 17:00 Uhr.

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